Das war das Peacecamp 2014…
In den Ferien ein 10-tägiges Camp in Niederösterreich verbringen… kling ja ganz normal. Doch was für ein Camp ist das und welche Menschen nehmen daran teil? Das war das PEACEcamp 2014, an dem jeweils 8 Schülerinnen und Schüler aus Österreich, Ungarn, Palästina und Israel, aber auch 13 Begleitpersonen teilgenommen haben. Wie schon begreiflich, sind sie alle Promotoren des Friedens, in dem sie sich die Zeit für so ein Camp nehmen.
Es ist nicht selbstverständlich, dass junge Menschen im Alter von 14 – 19 Jahren einen Teil ihrer Ferien dafür ausgeben, um etwas für den Frieden beizutragen. Aber wie ist das machbar? Zuerst einmal war es wichtig, Frieden für uns individuell zu definieren. Für mich, als muslimische Vorarlbergerin, Österreicherin und Europäerin bedeutet Frieden nicht nur die Abwesenheit von Krieg, sondern vor allem gemeinsam leben zu können, den Menschen vor seiner Religionszugehörigkeit, Nationalität oder seinem Aussehen zuallererst als MENSCHEN zu sehen.
In einem Land wie Österreich, wo viele Kulturen miteinander leben, versuche ich diese Vielfalt zu schätzen und allem gegenüber mit den Prinzipien Respekt, Liebe, Akzeptanz und Toleranz entgegenzukommen. Das kann besonders durch den Dialog bestärkt werden. Denn es geht kein Weg am Dialog vorbei, dass wir einander verstehen. Durch den Dialog werden Brücken gebaut und Gemeinsamkeiten gefunden. Und genau das war meine Motivation, am Peacecamp 2014 teilzunehmen.
Am ersten Tag haben wir ein Logo für das Peacecamp entworfen und es hat mich besonders gefreut, dass auch viele andere Jugendliche dieser Überzeugung waren. Denn auf unserem fertigen Logo waren Flüsse gezeichnet und darüber Brücken mit den Beschriftungen: „Tolerance, Compromise, Love and Understanding“. Das reflektierte all unsere Anliegen für ein friedliches Zusammenleben. Wir wollen keine Flüsse sein, die trennen, sondern Brücken, die verbinden. So hieß dann auch unser Motto:
„We came to build bridges!“
In den nächsten Tagen haben wir neben Musikaktionen, Kulturabenden, Talentshows, Sportaktivitäten oder Spielen uns mit der Frage der Identität beschäftigt. Inwiefern hat unsere Identität mit dem Frieden etwas zu tun? Welche Rolle spielen Kultur, Religion, Hobbys, Nationalität, Familie, Freunde, Sprachen oder Normen in unserem Leben? Wie sich jeder diese Fragen beantwortet hat, wurde klar, indem jeder einen Umriss von seinem Körper zeichnen ließ und es so gestaltete, wie er/sie es möchte. Und darin fanden wir viele gemeinsame geschriebene Worte wie: Familie, Sport, Sprachen, Religion, Lieblingsessen oder Eigenschaften wie: offen, friedlich orientiert und kompromisbereit. Übrigens finde ich es als Muslima super, dass im Plan die Ramadan Frühstücks- und Fastenbrechszeiten eingeplant waren.
Schön und gut, doch welche Emotionen in uns schlummern, was uns stört, was und glücklich macht oder was wir fordern, durfte nicht außer Acht gelassen werden. In den Large Groups, wo alle Teilnehmer anwesend waren, hatte jeder die Möglichkeit sich zu äußern… Ob persönliche Geschichten, vergangene und aktuell erlebte Ungerechtigkeiten und Erfahrungen oder Statements, ganz egal. Besonders interessant, aber nicht so einfach ist es, wenn man selber über schwierige Gefühle redet. Ich habe gemerkt, wie sich ein Zitat von einem türkischen Gelehrten Mevlânâ bestätigt hatte, und zwar sagte er: „Der Mensch liegt unter seiner Zunge. Was er denkt und fühlt wird klarer, wenn er spricht.“ Ich verstand wie wichtig es ist zu reden und auch zuzuhören. Mir liefen die Tränen über die Wangen als ich den Konflikt zwischen den israelischen und palästinensischen Schülern angehört und ihre erlebten Schwierigkeiten mitgefühlt hatte. Es gab heiße Diskussionen, in denen uns Europäern klarer wurde, worum es im Nah-Ost Konflikt geht und was sie dort erleben. Aber nicht nur der nahe Osten war ein Thema, sondern auch Europa, Österreich und Ungarn. Ich habe zum Beispiel die Ausländerfeindlichkeit in Österreich angesprochen und meine Erfahrungen eingebracht, was ich als junge Muslima erlebt hatte und welche Schwierigkeiten ich, meine Familie und viele andere durchmachen mussten. Dabei musste ich mit meinen Tränen kämpfen. Ich habe aber auch erzählt, dass ich sehr tolle, vorbildliche Menschen in Österreich getroffen und kennengelernt habe, die für mich zeigen, dass man nie alle Menschen eines Volkes in eine Schublade stecken darf.
In diesen Large Group Sessions haben wir alle gelernt, richtig und emphatisch zu-und hinzuhören. Wir haben gelernt, dass jeder seine Geschichte hat, und es verdient hat anerkannt und aufmerksam zugehört zu werden. Ich bin mit einem vollen Koffer neuer Erfahrungen, Einsichten, neuen Freunden und mit einer sich erweiterter Mission Heim gekehrt. Ich habe wirklich Vieles mitnehmen dürfen, das mich, meine Persönlichkeit und mein Umfeld bereichert hat. Neues aus anderen Kulturen und Religionen in so einer kurzen Zeit so intensiv zu erfahren, war einmalig, weil in der Schule hat man nicht viel Zeit und Raum sich mit solchen Themen zu beschäftigen. Zum Beispiel wusste ich nicht, dass es sehr viele Muslime und Juden im nahen Osten gibt, die seit Jahren in Frieden leben und ohne einander nicht können. Ich vergesse nie wie eine israelische Teilnehmerin gesagt hatte: „Die Araber sind ein Teil meiner Identität!“ und wie eine palästinensische Teilnehmerin zum Ausdruck gebracht hatte: „Ich könnte ohne Juden um mich nicht leben, Araber und Juden sind wie Cousins!“
Und eines ist ganz klar, Frieden ist machbar! Das haben wir durch unsere klare Demonstration der Gemeinsamkeit bewiesen. Wir möchten die verändernde Generation sein! Viele Mauern und Vorurteile wurden bei diesem Camp abgebaut und wir sehen es als unsere Aufgabe, daran weiterzuarbeiten, denn es gibt in der Gesellschaft noch viele Mauern abzubauen. Wir bedanken uns an alle Unterstützer dieses Camp, dass sie es uns möglich gemacht haben, uns zu entfalten und zu verdeutlichen, dass wir in Frieden leben können. Der Frieden ist ein Prozess, es ist wie Zähneputzen, man muss immer daran arbeiten. Auf alle Fälle hat sich ein größeres Verständnis für Frieden bei uns entwickelt und somit möchte ich mit einem vielleicht zu aussagekräftigen Zitat enden, das wir von einem ungarischen Teilnehmer gelernt haben: When you are not ONE, then you are no one!
Sümeyra Coskun 17, Vorarlberg/Österreich
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